Grannies in free flow…
Stammgäste dieses Blogs werden es wissen: Martin is a believer in fuzzy research. Das heißt? Sich in das Thema einlesen.
Linear versus fuzzy (circular) research
Die meisten Übersetzer begegnen einem bestimmten Wort in einem bestimmten Zusammenhang und suchen nach einer einfachen Lösung, die ebenfalls (bitteschön) möglichst ein einziges Wort sein soll. Und das ganz, ganz schnell. Ganz linear. Sie geben ein paar „das-könnte-es-sein“ Wörter in Google ein oder besuchen die üblichen Verdächtigen.
Have you noticed how much Martin hates Leo?
Es ist nicht nur schlecht, es ist auch häßlich!!!! |
Ist schön und gut. Mache ich gelegentlich auch. Aber es ist ratsam, das Gesamtthema anzuschauen, zu recherchieren, zu stöbern, sich Zeit zu nehmen. Ein Artikel bei The Telegraph oder The BBC ist durchaus empfehlenswert. Aber besser ist ein deep dive (eine sehr ausführliche Behandlung des Themas) – zum Beispiel ein white paper, oder ein Forschungsbericht. Am besten mehrere. Und bitte nicht von Bosch oder Daimler. Auch nicht von der EU. Sondern Ford, Chrysler, the UK government, the US government, the Australian government.
Martin, could you get to the point?
Wir übersetzen sehr viel im Bereich Maut / Mauterhebung. Heißt doch toll / toll collection, oder?
Jeeeeeeiiiin.
Kann man schon sagen. Aber es gibt auch tolling. Und ganz modern: road pricing oder road charging. Oder in den großen Städten congestion charging.
Mehr noch. Ohne fuzzy research würde ich nicht wissen, dass ein barrierefreies Mautsystem meist a free-flow system genannt wird (barrier-freefindet man auch – aber recht selten in diesem Zusammenhang, eher eliminating/doing without the need for barriersoder Ähnliches).
Free-flow ist auch ein extrem interessantes Beispiel für das Phänomen: Wir haben einen Ausdruck dafür – sehen (und beschreiben) die Sache aber aus einer ganz anderen Perspektive.
Vor allem dank fuzzy research verstehe ich etwas von den Zielen und Technologien – und wie das meist ausgedrückt wird (manchmal sind es dann einzelne Wörter aber gelegentlich komplette Formulierungen, auf die man sonst NIE und NIMMER kommen würde).
Abrechnung? Charging. Not billing. Mautbrücken? Das Ding, was über der Straße steht, und die Lkws kontrolliert? No, keine bridges, sondern gantries. Mauthäuschen sind toll booths aber das ganze Areal kann man a toll plaza nennen. Verursacherprinzip – etwas kontextabhängig, aber according to actual road usage (and/or emissions).
In 90% der Fälle ist das FALSCH. Danke für die Mehrzahl – macht das Ganze richtig wissenschaftlich |
Vor allem: Wenn man dieses Wissen hat (und mit dem Kunden auch redet – ja, ja, ihr wollt das nicht, weiß ich, aber es ist wirklich sinnvoll), kann man ganz anders mit kniffligen deutschen Sätzen umgehen. Man weiß dann, worauf der Autor eigentlich hinaus will.
Take a look:
- Verursachergerechte und effiziente Erhebung von Mautgebühren
- Kein Aufbau von Infrastruktur an den Straßen notwendig
- Efficient tolling in line with actual road usage and emissions
- No need for booths or other barriers – free-flow solution
Before you start moaning…
In einem Altersheim ist barrierefrei natürlich barrier-free(free-flow wäre aber auch eine Alternative…stellt euch vor: Omis fahren mit ihren Elektro-Rollstühlen mit 100 Sachen durch die Gegend).
Granny in free flow |
A toll bridge gibt es natürlich – aber das ist eine Brücke, für deren Benutzung man eine Maut zahlen muss. Nicht das hier:
Google liefert viele Hits für toll bridge – aber das hier ist a gantry! |
Verursacherprinzip / verursachergerecht – kann in einem anderen Zusammenhang polluter pays principle sein.
Aber das bestätigt nur: Fuzzy research rules! And context is everything.