von Martin Crellin | 24.02.2009 | BOSS’S BLOG
Heute rief uns der zurecht skeptische Geschäftsführer eines erfolgreichen Mittelständlers aus der Autobranche an: die Übersetzung seiner Website kam ihm recht holprig vor.
Er hat Recht. Auch viele Fachbegriffe waren falsch. Konstruktion ist nicht construction, hochglanz ist nicht high-gloss, Serienfertigung ist nicht (üblicherweise) series production, und Lackierung ist definitiv – bei Autos und deren Teilen – nicht lacquer (das ist eher Klarlack auf Holz und so weiter) sondern paint.
Mit den Verben hat sich der translator genauso wenig Mühe gemacht. Aus „wir punkten auch in anderen Branchen“ wurde leider: „We also score in other branches.“ Branchen sind natürlich industries oder sectors oder markets (branches dagegen sind Filialen).
Aber „to score“ ist besonders gefährlich. Außerhalb vom sportlichen Kontext wird es vor allem für das Abschleppen (von sexuellen Partnern) gebraucht. Sagt einer: „Did you score last night“ so meint er nicht unbedingt die Leistung beim Fussball. Er fragt womöglich nach der Erfolgsquote in der Disko.
von Martin Crellin | 25.11.2008 | BOSS’S BLOG
Alles, was mit k anfängt, ist kritisch zu betrachten.
Konstruktion beispielsweise.
Construction ist das Bauen. Die Bauindustrie heißt bei uns ganz offiziel the construction industry. The building industry geht natürlich auch, hat jedoch einen ganz leichten Hauch des Umgangsprachlichen.
Aber: wie fast immer bei den faux amis gibt es eine gewisse Schnittmenge:
The house is well constructed
hat durchaus eine etwas andere Schwingung als
The house is well built
Beim ersten Satz ist schon eine Prise vom deutschen Begriff Konstruktion dabei.
Und nicht unerwähnt darf the constructors‘ championship bei der Formel 1 (Achtung: formula 1 mit aaaaaaa). Was auf Germanisch wohl Konstrukteursmeisterschaft genannt wird. Ist wahrscheinlich eine falsche Übersetzung, die den falschen Übersetzer überlebt hat. Geht aber. Denn: Die gelungene construction eines Boliden ist die gelungene Umsetzung einer gelungenen Konstruktion. If you see what I mean.
Ja, und wie übersetzt man nun Konstruktion? Meist design, manchmal engineering und gelegentlich beides zusammen: design engineering. Bei dem Wort design denken Schwaben, Fischköpfe und Ossis natürlich sofort an schwarz gekleidete Besserwisser, Alessi-Wasserkocher und Audi TT. Aber design im Englischen ist breiter gefasst. Es heißt eben Konstruktion, Gestaltung und ja, (Produkt-)Design. Je nach Kontext.
Konstruktive Kritik? Kein falscher Freund (false cognate). Constructive criticism.
von Martin Crellin | 31.07.2008 | BOSS’S BLOG
Übersetzen ist nicht einfach. Aber manch Mitgleid dieser Zunft ist einfach grottenschlecht.
Ich habe vor mir die aufwendig gestaltete Kundenzeitschrift eines führenden deutschen Unternehmens, das etwa 40.000 Mitarbeiter beschäftigt. Das Englische stammt von dem größten Übersetzungsbüro der Welt (zumindest laut der Liste, die mir vorliegt).
Ein paar Leckerbissen:
The „Cooperation Center“ should become a main location for all of [name removed]’s strategic partners . 2,000 square meters of office space are available in this high-tech „forge.“ The Cooperation Center functions according to the principle of short paths. The approximately 45 partner companies have quick access to construction data.
Oder wie wäre es mit:
When a flood of information streamlines into a single flowing river.
Häh? I understand train station.
Oder eine Anzeige:
Real ICT – IT and TK become one.
Naaaa, verstehen Sie was? Als Teutone vielleicht schon. Als Brite ohne Deutschkenntnisse wahrscheinlich nicht. Nein, kurze Wege und High-Tech-Schmiede kann man nicht wörtlich widergeben. Mit Konstruktion ist hier mitnichten construction gemeint. Das Wort „should“ impliziert eine moralische Verpflichtung; es ist nicht Ausdruck einer Zielsetzung. TK steht natürlich für Telekommunikation. Und erklärt wird hier sowieso der englische Begriff ICT (information and communications technology). Also sollte man vielleicht genau diese Wörter verwenden? Das hat der Übersetzer wohl nicht kapiert – und nachfragen ist mühsam. Und aus TK wird leider oft TC gemacht. Nein, das ist kein gängiger Ausdruck für telecommunications. Aber was soll’s. Zack und weg.
Und übrigens; was ist Real ICT im Gegensatz zu Unreal ICT? Leider hört der Kunde – mit wenigen rühmlichen Ausnahmen – nur ungern auf meine Einwände. Es wimmelt dort nur so von Denglisch.
Fairerweise muss ich erwähnen: der Kunde weiß um die Probleme bei der Zeitschrift und will handeln. Ich frage mich nur: In welcher Branche sonst wird eine solche „Leistung“ vom Marktführer (regelmäßig) erbracht und gut bezahlt?