Crap-Claim-Collection

Sooooo, wir wären wieder in der Autoindustrie. Denn in keiner anderen Branche gedeihen so viele denglische Sumpfblüten.

Hier zum Beispiel. Da fragt sich der Engländer einfach: Where to?. Es heißt so viel wie: „Wir befördern/transportieren die Automobilwelt.“ Toll, nö?

Über die Tücken von competence habe ich genug geschwafelt. Aber car competence ist besonders krass. Ist ziemlich frei von jeglicher Bedeutung. Selbst auf Deutsch würde man nicht von „Autokompetenz“ reden. Aber Englisch darf jeder germanische Werber so hin- und herbiegen wie er will, bis die arme geschundene Sprache bricht. Und eine Verbindung kann man nur zwischen zwei oder mehr Sachen herstellen – daher connecting people von Nokia, was wohl Pate für diesen Blödsinn stand. Das Ergebnis ist also völlig meschugge. Connecting what to what????

Wie entstehen solche unsinnige Claims? Entweder texten deutsche Werber gleich auf Englisch für deutsche Kunden, die alles dann abnicken, weil sie genauso germanisch denken und empfinden (Ja, ja, car competence ist gut!! Und dann die tolle Alliteration mit connecting! Ja, ja, kennen wir von Nokia!). Oder man erfindet ein werbewirksames Wortspiel auf Deutsch (wir bewegen…) und läßt es irgendwo für 20 EUR wortwörtlich übersetzen – ohne einen Gedanken darüber zu verlieren, dass das play on words ganz schnell lost in translation ist.

Gelegentlich wird zu später Stunde irgendein Muttersprachler im Vorbeigehen zaghaft gefragt, ob man „das so sagen kann?“. Der Befragte ist selten über die Trageweite seiner Antwort bewusst. Und selten ein Texter, der kompetent beraten könnte. Welche Werbeagentur würde ihre deutschen Claims für Großkunden der Autoindustrie vom erstbesten Passanten auf dem Kudamm absegnen lassen? Aber auf Englisch ist es gang und gäbe.

Martin, bring den Müll weg

Die exportorientierte deutsche Automobilbranche sollte und könnte sich richtig gutes Englisch leisten. Tut sie aber oft nicht.

Folgendes Beispiel kommt von der Porsche-Tochter MHP und ist stellvertretend für ein sehr häufiges Problem im Denglischen – linguistische Amputationen.

Excellence in Process- and IT-Consulting for Automotive

http://www.mhp.de/en/company.html

Kürzer ist knackiger – und teilweise kackiger
Hier wird ein durchaus richtiger Begriff – the automotive industry – auf automotive abgekürzt. Ist schön knackig, nicht? Und schön falsch. Denn für uns bleibt das Ding ein Adjektiv. Und wir fragen uns: automotive WHAT?

Die Bindestriche sind auch 100% germanisch. Aber excellence ist eine exzellente Alternative zu competence – was immer wieder auftaucht, wie unvernichtbares Unkraut.

Das Publikum als Beruf
Besonders modern ist die Abkürzung von public sector auf public. Das geht GAR nicht. Sagt eine Kundenberaterin: I am an account manager public so hat sie sich als Kundenberater-Publikum deklariert. Nicht schlecht für eine Einzelperson.

Spielen Sie auch Korb?
Auch diese Woche auf meinem Schreibtisch: Ein Rechner für Handelsreisende. Hier wurde business traveller auf traveller reduziert – was für uns in erster Linie ein Rucksacktourist ist. Es erinnert mich alles an meine Zeit als Englischlehrer in Griechenland – da haben die Kids immer gemeint: we play basket.

Noch ein Beispiel:

Hier musste ich selber lange grübeln – irgendwie klang es falsch, aber ich wusste nicht so recht wieso. Dann kam ich darauf: you have to take the risk out OF SOMETHING. Ohne ein SOMETHING ist das ein anderes Verb. Was normalerweise so verwendet wird:

Martin, will you take the dog out?
Yes, if you’ll take the rubbish out.

Auch den Sprachmüll sollte man entsorgen.

Die Zukunft ist leider inkompetent

Wenn man sich anschickt, über die Wichtigkeit von „Kompetenz“ zu referieren (und zum Thema Tony Blair einzuladen), dann sollte man vielleicht die dazugehörige angeblich internationale Überschrift in Englisch und nicht Denglisch formulieren:

http://www.campus-symposium.com/

Future needs competence? Allerdings – vor allem kommunikationstechnisch.

Competence ist NICHT Kompetenz. Kompetenz ist viel stärker, viel positiver. Siehe hierzu:

http://falsefriends-mcsquared.blogspot.com/2008/08/incompetence-with-system.html

future needs competence ist Kauderwelsch. Es müsste sowieso the future heißen. Aber damit ist es nicht getan. Der ganze Satz ist durch und durch germanisch. Ich hoffe, der Tony weiß, worum es da überhaupt geht. Er soll mich mal anrufen, ich erkläre es ihm dann – und frage ihn mal, was die Suche nach den weapons of mass destruction macht.

Nachtrag:
Ein Referent ist angeblich: Chief of „Strategic Projects“ for the Deutschen Bank AG

Nicht schlecht, Herr Specht – vier dicke Fehler (mindestens) in einem halben Satz. Chief of? Ist der Typ Indianer Häuptling? Nur Chief Strategic Projects Officer. Oder Head of Strategic Projects. Aber nicht Chief of. Die Anführungszeichen sind komplett überflüssig. Und falsch gesetzt (wir setzen sie nie unten), THE ist bei einem Firmennamen komplett daneben, und das „n“ bei „Deutschen“ müsste natürlich verschwinden. Chapeau! Future needs competence – aber ganz dringend!!!

Incompetence with system

Es gibt griffige Wörter und Wortkombinationen, die oft für Headlines und Slogans eingesetzt werden. Kompetenz in Finanzen, Logistik mit System, Kreativität ohne Grenzen.

Es gibt natürlich core competencies. Aber das habt ihr eh von uns geklaut. Also Vorsicht: während Kompetenz eine aüßerst positive Ausstrahlung hat, ist Competence so la la – es ist die Fähigkeit, irgendwas zu tun, aber viel mehr auch nicht.

Stellen Sie sich zum Bespiel folgenden Dialog vor:

Is he any good?“
He’s competent.“

Das nennt sich damning with faint praise. Sprich: es ist gerade so wenig Lob, dass es wie vernichtende Kritik ankommt.

Viel besser ist expertise, oder skills.

Soziale Kompetenz zu Beispiel ist nicht, liebe BASFler, social competence, sondern soft skills oder interpersonal skills.

Dann gibt es mit System. With system ist völlig bedeutungslos. Ich höre den Kundenberater schon grummeln: wie übersetzt man es denn? Naja, die Idee dahinter könnte man etwa mit „systematic“ umschreiben – aber nur umschreiben. Das ist nicht headline-tauglich. Wie sooft heißt die Lösung: komplett neu auf Englisch dichten.

Ohne Grenzen ist ähnlich. Ich habe verschiedene Übersetzungsversuche gesehen: without borders, without frontiers, without limits – und heute bei SAP: without barriers. Leider wird „barriers„vor allem in Verbindung mit Behinderung verwendet – barrier-free housing zum Beispiel (was ihr auch geklaut habt).

Diese Versuche sind nicht auf der Nonsens-Ebene von with system. Aber für die meisten Headlines nicht das Ideale – denn es geht nicht um geografische Grenzen oder physische Barrieren. Sondern um das „Grenzenlose“ an sich. Eine Möglichkeit wäre unlimited. Creativity unlimited zum Beispiel. Aber auch hier wäre es besser, auf Englisch von Null anzufangen – und nicht typisch deutsche Strukturen zu übernehmen.

Übrigens Spiel ohne Grenzen gabs auch bei uns. Hieß allerdings: It’s a Knock-Out