Ich hatte gleich zweimal letzte Woche mit meinem absoluten favourite false friend zu tun – nämlich “irritiert”. Warum ist er mein Favorit?
Erstens, weil die “emotionale Wirkung” in den beiden Sprachen so krass unterschiedlich ausfällt. Und zweitens, weil er so oft nicht erkannt wird – selbst von Profi-Übersetzern und Lexikografen. Er ist also nicht nur a false friend sondern irgendwie an old friend – der igonito durch die Sprachwelt reist und immer wieder vorbeischaut.
Fall Nr. 1: Es ging um einen Maler, dessen Bilder den Betrachter auf den ersten Blick “irritieren” (und dann faszinieren). Übersetzt hat es einer (natürlich) mit irritated.
Oh God. Der Kunde war selbst von der Übersetzung irritiert und hat um Überprüfung gebeten. Der ausgewählte Revisor hat zwar einiges im englischen Text verbessert aber the irritation hat er nicht als Problem erkannt.
Der Ausgangstext war echt schwierig (ist oft so bei Texten in der Kunstwelt). Mir hat geholfen, dass ich in London weilte – und die Bilder in New Bond Street persönlich in Augenschein nehmen konnte. Die Galerie war sehr schick und die Exponate sehr teuer (ausgestellt war unter anderem ein Werk von Jeff Koons – Schätzwert: “einige Millionen”). Ich fühlte mich zwar recht fehl am Platz aber immerhin konnte ich mir ein Bild vom Bild machen so to speak.
Daraus haben wir schließlich gemacht: At first you’re taken aback, then you’re drawn in.
Auch passend wäre puzzling, bewildering (das ist aber schon sehr stark), confusing. Manchmal passt auch distracting (wenn es um Ablenkung geht).
Fall Nr. 2: In vielen deutschen Medien war die Headline “Theresa May irritiert von Nachfolgediskussion” zu lesen.
Leute, sie war nicht nur irritiert sondern richtig genervt (irritated). Journalisten sind verständlicherweise sehr anfällig für false friends. Übersetzen ist ja nicht deren Kernkompetenz.
Allerdings: Es gibt Fälle, wo eine 1:1 Übersetzung doch ok wäre. Hautirritationen zum Beispiel sind ganz klar skin irritations. Und mir ist auch bewusst, dass bei dem Ausspruch “da war ich leicht irritiert” eine gewisse Verärgerung mitschwingen kann. Aber sie schwingt eben nur mit.
Eine Bekannte hat neulich dieses Blog gelesen – und plötzlich verstanden, dass ihrjealous South African boyfriend nicht nur irritiert sondern tatsächlich von ihr ziemlich genervt war. Denn irritateauf Englisch ist nicht nur verwirren/verunsichern. Es ist ganz klar ärgern/nerven. Derboyfriend ist jetzt ex.
Ich bin froh, meinen Beitrag zur Völkerverständigung geleistet zu haben.
Das erinnert mich an eine interessante Begegnung mit lingerie in einem Department Store in Sheffield.
Meine attraktive deutsche Begleiterin hat irgendwie irgendwas an irgendeinem Slip zu meckern gehabt. Und das auch noch zum Ausdruck gebracht. Da waren aber die nettensales assistants etwas irritiert (aber nichtirritated). Denn in England ist einslip ein Unterrock. Und der war ja weit und breit nicht zu sehen.
Bei uns heißt das entsprechende Kleidungsstück knickers (sehr umgangsprachlich),panties oder auchbriefs.
Damit habe ich auf elegante Weise einen Vorwand gefunden, euch folgende Bilder zu zeigen:
My thanks to Marks and Spencer:
My thanks to John Lewis:
Ja, ja, ok, ok, damit mir nicht Einseitigkeit vorgeworfen werden kann, hier ein männliches Beispiel:
Free English lesson: A slip of the tongue ist ein verbaler Ausrutscher/Verdreher. Und sagt man oft als Entschuldigung für irgendeine blöde Bemerkung, die falsch raus- und rübergekommen ist (sorry, that was just a slip of the tongue).
Übrigens: ich habe jahrelang geglaubt, ein Pony (Deutsch) wäre dasselbe wie ein ponytail (Englisch). Die Frisur heißt bei uns in England fringe und bei den Amis bangs. Und das wiederum erinnert mich an einen ziemlich obszönen Witz, der nur auf Deutsch funktioniert (Kinder jetzt bitte wegschauen):
C arbeitet bei der Werbeagentur von dem Bullettenkönig von Deutschland – der zu unseren Lieblingskunden gehört. Eines Tages bekam ich von ihr eine SMS (übrigens: wird am besten mit text oder text message übersetzt – nicht SMS). „Was bedeutet pathetic? Bitte schnell antworten.“
Es folgte alsbald ein amüsantes Flüstergespräch – sie war bei einem Pitch in London.
Die Musik von dem Spot (ja, das gibt es, aber üblicher is commercial) sollte pathetisch klingen. Aber der Kunde staunte nicht schlecht, als man ihm vorschlug: the music should be pathetic. Wer will schon erbärmlich schlechte Musik haben?
Es gab also Irritationen – was natürlich nicht irritations sind. Wer irritated ist, der ist ziemich verärgert und nicht irgendwie verwirrt. Erstaunlich viele Übersetzer wissen das nicht. Und auch viele Wörterbücher sind in dem Punkt fehlerhaft (siehe die erste PONS-Ausgabe nach dem Bruch mit Collins).
Als C das Ganze dann erklärte, waren die Irritationen vom Tisch und irritated war sowieso niemand – nur amused.
Und wie heißt denn die Musik, wenn sie pathetisch klingt? Naja, ich müsste sie mal hören – aber ich und C haben uns auf dramatic geeinigt.