Der geniale Musikantenknochen
Ich war am Wochende segeln. Für mich die allerbeste Sportart für gestresste Übersetzer und sonstige Selbstständige (was aus „selbst“ und „ständig“ besteht, if you know what I mean). Sie bietet Entspannung pur – auch dann, wenn man nur wenige Stunden zur Verfügung hat. Und man kann sich für einen Tagesausflug aufm Wasser relativ spontan entscheiden, was bei stark fluktuierender Auslastung extrem nützlich ist.
Dabei habe ich ein neues, tolles Wort gelernt: Musikantenknochen. Was auf Englisch funny bone heißt – aber die deutsche Variante gefällt mir besser.
Auf der Rückfahrt vom Lake Constance haben wir Deutschlandfunk gehört – verstaubter und konservativer als BBC 4 oder BBC World Service, aber trotzdem einer meiner Lieblingssender.
Es kam ein faktenreicher Bericht über die Nominierung von Paul Ryan als (möglichen) Vizepräsident durch Mitt Romney. Ein US-Interviewpartner beschrieb Paul Ryan als a genial guy – was durch den deutschen Reporter prompt als „genialer Mensch“ übersetzt wurde. Nein!!! Alarmstufe Rot!!! (was übrigens als red alertund nicht red alarm übersetzt werden soll).
Genial (auf Englisch) heißt so viel wie „sympathisch“. Es ist komisch, aber wir haben kein richtiges Adjektiv für das Substantiv Genius – oft wird genius selbst genommen („he is a genius architect“) – aber schön ist das nicht. Besser ist in der Regel was ganz anderes aber ähnliches („brilliant“ zum Beispiel).
Solche Fehler unterlaufen Journalisten oft (vor allem bei N-TV, habe ich den Eindruck). Sie können zwar in der Muttersprache genial formulieren, aber sie überschätzen ihre Englischkenntnisse fatal. Es gibt halt eine Menge False Friends. Und genialgehört dazu.
If you don’t believe me: Oxford Advanced Learner’s Dictionary (für mich absolut das Beste – auch für uns Muttersprachler) definiert genial als:
Friendly and cheerful, affable.