Wenn deutsche Werbeagenturen sich verlieben

Stellen Sie sich folgende Situation vor. Ein alter Kumpel ruft an. Er ist völlig hin und weg von einer Frau. Er ist von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Er hat die „total attraktive und sehr intelligente“ Dame den Eltern schon vorgestellt – sie sind ebenfals begeistert. Der Termin beim Standesamt steht schon fest.

Sie fragen unschuldig: „Wie heißt die Angebetete denn?“

Der Hin-und-Weg-Kumpel: „Jackie.“

Sie: „Ja, aber Jackie ist doch ein Mann!“

Tja, so geht es uns, wenn deutsche Werbeagenturen selber englische Claims entwicklen. Denn sie tun es meist am grünen Tisch – gänzlich ohne professionelle muttersprachliche Mitwirkung. Und verlieben sich in die eigene Kreation. Dann kommt der (deutschsprachige) Kunde – der das Ganze genau so toll findet und die internationale Umsetzung absegnet. Dann erst werden wir angerufen.

Daher sind wir leider oft in der undankbaren Rolle des ewigen Neinsagers. Denn englische Claims, die von deutschen Werbern entwickelt werden, sind in 99.9% der Fälle nichts – oft völlig daneben, bestenfalls sinnentleertes Baby-Englisch.

Warum?

Jedes noch so einfache Wort hat im Englischen andere Assoziationen als im Deutschen. Und es gibt viele wichtige aber subtile Unterschiede in der Sprache und der Kultur.

Wieviele deutsche Texter wissen, dass competence keine Kompetenz ausdrückt, performance erst mit einem positiven Adjektiv zu „Leistung“ wird (viele Grüße an die Deutsche Bank)? Wieviele wissen, dass Dinner for One nur in Deutschland (und Südafrika) bekannt ist? Oder dass, be inspired nicht annährend an „Lass dich inspireren“ kommt?

Übrigens: Auch der Begriff Claim ist eher Deutsch als Englisch. Üblich ist slogan, tagline oder strapline. Mit claim wird meistens das gemeint, was man mit dem Slogan zum Ausdruck bringen will (also: behaupten will).

Ich hatte mal mit einer Berliner Werbeagentur zu tun, die mich mit etwa 40 denglischen Claims fast in den Wahnsinn getrieben hätte. Kein einziger war brauchbar. Aber die Agentur war nicht davon abzubringen. Sie waren fast alle selbstgestrikte Übersetzungen aus dem Deutschen oder zusammengestückelte Wörterbucheinträge.

Meine Rolle? Ich sollte *eigentlich* den englischen Claim selber entwicklen – meine Vorschläge wurden konsequent ignoriert. Statt dessen durfte ich immer wieder dieselbe Frage beanworten: „Wieso geht das nicht?“ Das ist oft schwierig zu erklären. Und immer frustrierend – für beide Seiten.

Ich bin irgendwann mal ausgestiegen. Und konnte nur noch an den wunderbaren und kaum übersetzbaren deutschen Begriff denken: beratungsresistent!