von Martin Crellin | 29.03.2011 | BOSS’S BLOG
Unsere Sprache ändert sich täglich. Neue englische Wörter gibt es zuhauf. Selbst The Sun hat neulich darüber berichtet:
http://www.thesun.co.uk/sol/homepage/features/3432574/English-gets-a-buttload-of-words.html
Aber meine Quelle bleibt in erster Linie (na klar!) BBC Radio 4.
Mir sind in letzter Zeit aufgefallen:
The direction of travel (für Richtung, Ausrichtung, Ansatz, besonders in der Politik)
Ein Beispiel:
The finance sector faces a week of reckoning as Business Secretary says ‚direction of travel‘ is clear and George Osborne plans greater powers for Bank of England
More here:
http://www.telegraph.co.uk/finance/newsbysector/banksandfinance/7823572/Vince-Cable-in-new-bid-to-split-banks.html
Narrative (für Geschichte, Story, Entwicklung, Selbstverständnis aber auch Außendarstellung und vieles mehr – ist irgendwie total „in“ zur Zeit)
Hier ein Beispiel:
A new political narrative is in the making [in the Middle East].
More here:
http://www.huffingtonpost.com/randa-slim/the-making-of-a-new-narra_b_824156.html
Yummy mummy (eine scharf aussehende Muddi)
Staycation (a contraction of stay & vacation) – Urlaub auf Balkonien
Wir erfinden neue Wörter eben etwas anders
Besonders beliebt sind Schöpfungen nach dem Prinzip „portmanteau“ (siehe staycation) – eine vedrehte, verkürzte Vermischung aus existierenden Begriffen: Bekannte Beispiele sind smoke + fog = smog; breakfast + lunch = brunch. Aber Elektrosmog habt ihr selbst erfunden.
Hier ist eine ganze Liste: http://www.atheistnexus.org/group/linguaphiles?xg_source=activity
Ein Grund für die Popularität von portmanteau words ist, denke ich, eine Ur-Schwäche des Englischen gegenüber Deutsch und anderen flexiblen Baukastensprachen.
Ihr könnt Wörter fast beliebig zusammenschmeißen und keiner findet das Ergebnis unnatürlich (aber wir Übersetzer müssen dann versuchen, den Gordischen Knoten auseinanderzufuseln).
Zwei Beispiele in dieser Woche:
regelversorgungsfähig (von Telemedizin)
Die Wanderfrequenz (nimmt mit zunehmendem Alter zu)
Focus on the message, guys and gals
Ein häufiger Fehler unter den Übersetzern bei der Betrachtung eines solchen Ungetüms: Der Versuch, ein entsprechendes Wort im Englischen zu finden. Leute, es gibt keines. Und wenn doch, klingt es grässlich. Please translate the message, not the words.
Why so much misplaced trust in Leo???? Es ist nicht die Bibel!
Und nicht auf Leo nachschauen (vor allem ohne Kontextangabe). Apropos Leo – eine Kundin verlangte von uns diese Woche, wir sollten „im Wellness-Bereich verweilen“ nicht mit relax übersetzen sondern mit tarry oder abide.
Sie kennen diese Begriffe nicht????
Die Unterhose von Shakespeare (na, das ist ’n Überschrift, wa?)
Kein Wunder. Der erste ist ungefähr so aktuell wie die Unterhose von Shakespeare. Der zweite passt irgendwie gar nicht – ich kenne nur die Hymne „abide with me“ (immerhin Anno 1847). Aber wir lagen richtig mit unserer Vermutung: Die Begriffe stammen offensichtlich von Leo. Ach menno, was uns diese Website an Zeit raubt.
Seitdem gehen ständig Sprüche im Büro rum: „I am going out to lunch, and may tarry in the park…“
Übrigens: Gelegentlich greifen Teutonen auch zu portmanteau words – ein Beispiel?
„Denglisch“!
von Martin Crellin | 14.01.2011 | BOSS’S BLOG
Anna Gentle hat mich auf folgendes Beispiel für umgekehrtes Denglisch hingewiesen:
http://www.kutchenhaus.co.uk/
Was mich sehr beunruhigt (und Herrn Allers sicherlich erfreut). Ich finde es lustig.
von Martin Crellin | 14.01.2011 | BOSS’S BLOG
Allllsssssoo. Denglisch ist aus meiner Sicht künstlich und relativ nutzlos. Es gibt aber echte Dialekte und „neue deutsche Sprachen“, die für mich gute Gegenbeispiele sind – denn sie sind lebendig, haben eigene Regeln und Konventionen sowie einen definierten Wortschatz.
Hier ein paar vollkrasse Beispiele (mein Dank gilt meiner „Fischtochter“ für den Hinweis).
Besonders zu empfehlen ist Schneewittchen auf Kanakisch (am Besten danach suchen – oder etwas runterscrollen):
http://www.detlev-mahnert.de/Jugendsprache.html
P.S. Die Tochter meiner Freundin beglückt mich mit verschiedenen Spitznamen und Anreden – „Du Fisch“ gehört zu nicer sobriquets. Daher nenne ich sie meine „Fischtochter“. Ich habe aber auch andere Namen auf Lager.
http://en.wikipedia.org/wiki/Sobriquet
Auch interessant-amüsant ist:
Buddy Ogün 3.0 (auf YouTube – Einbettungscode war nicht verfügbar)
Die ersten 30 Sekunden sind a bisl langweilig – aber danach ist sehr schön zu sehen (hören), wie ein Mensch verschiedene Dialekte / Sprachvariantenten je nach Zielgruppe einsetzt. Und wie Sprache/Dialekt ein Identifikationsmittel sein kann.
Hier auch ein Quiz zu Denglisch:
http://www.t-online-business.de/denglisch-quiz-verstehen-sie-denglisch-/id_16903704/index
Habe nur 8 Punkte geholt!!!
von Martin Crellin | 13.01.2011 | BOSS’S BLOG
Ich gebe zu: Diese Auseinandersetzung macht mir Spaß.
Herr Allers hat seine Anwort auf seiner eigenen Website veröffentlicht.
http://www.denglisch4ever.de/ (Rubrik: Discussion)
Die Kommentare von Victor Dewsbery (hier auf meinem Blog) finde ich auch sehr interessant.
Kosten-/Nutzenanalyse (cost/benefit analysis)
Das entscheidende Schlachtfeld scheint Denglisch als Kunstsprache (oder eigene Sprache, oder als Teil von Deutsch) zu sein. Ich kann gerade noch in einem versteckten Winkel einen klitzekleinen „Nutzen“ dieser Kunstsprache erkennen (sprich: eine reine Werbesprache exklusiv für Germans). Aber er ist winzig. Und die Kosten sind aus meiner Sicht einfach zu hoch. Und zu diesen Kosten gehört, ja, meine eigene muttersprachliche Seele. Und warum reagiere ich da so emotional?
Doch meine Muttersprache!
Weil Denglisch NICHT mit a health warning daherkommt, sondern fast immer so tut, als wäre sie meine Muttersprache. Es wird geschummelt und betrogen. Zu behaupten, das ist eine eigene Werbesprache, um mir damit jegliche Schutzrechte abzusprechen, ist ein hinterher reingeschobenes spitzfindiges, teilweise unredliches, Argument – it is (disingenuous) sophistry of the highest order (auch wenn Herr Allers sicherlich an Denglisch als realexistierend glaubt).
Alphabet soup anyone?
Wenn absichtlich und klar erkennbar mit der englischen Sprache für Deutsche gespielt wird, finde ich das (in Maßen) in Ordnung. Da fällt mir ironischerweise nur ein Franglais-Beispiel ein – die Sandwich-Kette pret a manger in England!
http://www.pret.com/our_food/soups.htm
Ich empfehle die tomato soup.
Aber das ist nicht der Normallfall.
What’s the point?
Denglisch als „eigenständige Sprache“ erfüllt keinen echten Kommunikationszweck, der nicht schon durch die deutsche oder englische Sprache gegeben wäre. Ja, ein cooles Werbe-Feeling (you see, I am not totally anti-Denglisch) wird vermittelt – aber keine inhaltliche Botschaft. IM GEGENTEIL: die Kunstsprache verwirrt – und nicht nur die Muttersprachler.
Es wird genügend Deutsche geben, die entweder gar kein Englisch verstehen, oder dermaßen gutes Englisch, dass sie nicht sicher sind, ob bei „It’s on you“ die englische oder die denglische Bedeutung zum Tragen kommen soll. Auch innerhalb der Zielgruppe.
Dabei ist „It’s on you“ relativ harmlos. Viel Werbe-Denglisch ist dermaßen grauenhaft, dass keiner durchblickt. Werbe-Denglisch existiert nicht als einheitliche Sprache oder Teilsprache. Sondern sie entsteht jedes mal neu – in Abhängigkeit von den Intentionen und Englischkenntnissen (aha!!) des einzelnen Autors – was wiederum belegt, dass sie keine echte eigenständige (Teil-)Sprache ist.
Test-tube babies, born to die
Es ist keine neue Sprachspezies, die von sich aus überlebensfähig ist. Sie ist eine genmanipulierte Kunsterscheinung, die immer wieder in der Retorte entsteht, die immer wieder anders ist, und immer wieder nach Abhängen des Plakats stirbt.
Einer schreibt „it’s on you“, der Nächste schreibt, „it lies on you“, ein Dritter sagt, „it’s down you“, ein Vierter – naja, you get the picture.
Kreole? Voll krass, Mann!
Die Vergleiche mit Kreolen hinken. Kreole enstehen aus einem natürlichen Mitteilungsbedürfnis heraus. Sie sind nicht künstlich. Sie sind lebendige Sprachen, die von lebendigen Menschen gesprochen werden. Und – ganz wichtig – es entstehen neue grammatikalische Regeln, linguistische Konventionen sowie (total wichtig!) allgemein erkannte Bedeutungen für Wörter und Wendungen (ja, gerade bei Englisch gibt es eine sehr große Schwankungsbreite, aber trotzdem).
Ich verstehe nur Bahnhof
Der Vergleich mit dem Ami, der zum Bahnhof will, ist auch gehbehindert. Er wird verstanden, weil nichts Missverständliches dabei ist. Und er behauptet nicht, eine legitime (Kunst-)Sprache zu sprechen, die besonderen Respekt verdient. Sondern nur schlechtes Deutsch. Er lässt sich sicherlich gern korrigieren! Und fitness studio (vor allem studio) ist uns zu weit weg von „gym.“ Es ist zu sehr Eigenname. Ja, es kann sich noch durchsetzen wie hoover und co. Glaube ich aber nicht.
Da njet
It’s on you dagegen habe ich falsch verstanden, weil die Konstruktion „on you“ eine klar vordefinierte Bedeutung hat, die in meinem englisch programmierten Hirn einen fest verdrahteten linguistischen Schalter umlegt. Wenn ein Russe Ihnen sagt: „Ich komme mit der Maschine“, was verstehen Sie? Dass Abromovich in seinem Privatflugzeug kurz rüberjettet? Leider kommt Ivan mit dem Auto – denn „Maschine“ auf Russisch bedeutet Blechkarosse. Das ist JonnyM in Grün.
I always manage to mention football
Ob wir weniger gut falsches Englisch oder Dialekte verstehen als Deutsche? Hmm, Dialekte sind in Deutschland auf jeden Fall viel mehr präsent – und eher akzeptiert als in England. Es sind echte Dialekte. In England sind es eher Unterschiede in der Aussprache. Es gibt aber Ausnahmen – der neue Trainer von Liverpool FC, Kenny Dalgliesh, spricht für meine Begriffe einen wahrhaftigen Dialekt. Kein Wunder, wenn der Brasilianer im Team lange Fehlpässe spielt. Jemand soll ihm die Bedeutung von „wee“ im Schottischen erklären.
Ich kann auch mit ungewöhnlichen Wörtern angeben
Indisches Englisch hören wir nicht oft. Und die Phoneme sind für uns sehr gewöhnungsbedürftig.
http://de.wikipedia.org/wiki/Phonem
Also kämpfen wir etwas mit dem Verständnis. Man kann sich aber daran gewöhnen. Amerikanisch (zumindest gewisse Formen) ist uns nicht fremd. Dr House, gespielt von einem Engländer, gibt uns eine regelmäßige Spritze. Daher haben wir mit Obama and Friends selten Probleme. Aber wir haben natürlich allgemein weniger Übung mit Fremdsprachen.
von Martin Crellin | 11.01.2011 | BOSS’S BLOG
Folgenden Text habe ich noch vor Erhalt der Email von Herrn Allers erhalten. Ich hoffe auch, er nimmt mir meine Anwort nicht übel – ich finde einen solchen Austausch sehr aufschlussreich und an-/aufregend.
Es gibt einige ergraute, erzkonservative bis ewiggestrige Menschen, die einen regelrechten Kreuzzug gegen Denglisch führen. Obwohl ich mit einigen Einwänden absolut d’accord bin, möchte ich nicht zu diesem Lager zählen.
Es gibt aber auch einige Menschen, häufig Mitglieder der „Kreativbranche“, die lieber ein englisches als ein deutsches Wort verwenden – vor allem, wenn es um Werbung geht. Und selbst wenn ich in und mit dieser Zunft mein Geld verdiene, habe ich dabei einige Bauchschmerzen.
Heh, that’s mine!!!
Jede Sprache leiht sich Wörter von anderen Sprachen aus – und gibt sie nicht zurück. Das ist völlig in Ordnung. Ich finde es schön, dass man im Englischen von schadenfreude, zugzwang und kindergarten redet. Dass wir robots (vom Tschechischen), neologisms und austerity (aus dem Griechischem) sowie perestroika (aus dem Russischen) haben auch. Dass unser Adel auf Französisch verpflichtet ist, finde ich herrlich – noblesse oblige hat tatsächlich einen edlen Klang. Fremdwörter sind Salz in der Suppe, sie sind eine wichtige Würze.
Hmm, a bit salty if you ask me
Aber: Zu viel Salz schmeckt gräßlich. Und beim falsch gewählten Gewürz verdreht sich schnell der Magen.
Englisch wird oft eingesetzt, weil es angeblich cool ist – nicht, weil es was treffender zum Ausdruck bringt, oder was Neues kommuniziert.
Die Rektorin kann doch Englisch, oder?
Was ich persönlich echt nicht leiden kann, ist die extrem häufige Verwendung von Möchte-Gern-Englisch – Englisch, das keines ist. Englisch, das wörtlich oder einfach völlig falsch übersetztes Deutsch ist. Was bringt das? Wieviele Jugendliche hören täglich „hit music only“, und glauben damit was Englisches gelernt zu haben? Oder gehen auf die Cooperative University, um ein dual study (autsch!!) zu absolvieren – statt auf die University of Cooperative Education? Nur weil das „die Rektorin so beschlossen hat – und basta.“
Immer wieder erklären gebildete, intelligente und sonst sehr sympathische Nicht-Muttersprachler am grünen Tisch irgendeinen grausamen Spruch für tolles Englisch – und wir native speakers flehen sie vergeblich an, dieses Verbrechen gegen die englischsprechende Menscheit zu überdenken. WARUM tun sie das? I don’t know. Aber es tut in der Seele weh.
Hier ein Artikel in der englischen Presse zu Denglisch:
http://www.independent.co.uk/news/world/europe/denglish-now-verboten-2171795.html
Hier ein Artikel über die Dynamik von Englisch:
http://www.independent.co.uk/news/science/the-way-we-speak-now-2174495.html
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