Der Druck erhöht sich – der Markt polarisiert sich

Der Druck erhöht sich – der Markt polarisiert sich


Bin gestern über einen interessanten Artikel in The Economist (einer meiner absoluten Lieblingszeitschriften – zwar etwas konservativ aber sehr gründlich recherchiert und höchst informativ) gestolpert:


Auch das dürfte von Interesse sein (die Kommentare sind sehr aufschlussreich):


Mein Senf dazu:

Ich kenne viele Einzelkämpfer, die inzwischen ganz wenig oder nur noch sehr schlecht bezahlte Arbeit haben. Manche Sprachrichtungen leiden mehr als andere – zum Beispiel Englisch-Deutsch oder Spanisch-Deutsch/Deutsch-Französisch.

Viele Menschen sind aus der Branche gänzlich ausgestiegen. Die großen Büros werden immer größer – und die einzelnen Freiberufler von ihnen immer abhängiger. Der „Mittelstand“ verschwindet.


Does your translator cut the mustard?


Einkauf? Oh Schreck!

Die Einkaufsabteilungen bei großen Firmen verschärfen die Situation. Sie drücken nicht nur den Preis (auf Kosten der Qualität). Sie schreiben auch oft vor: Nur noch zwei Lieferanten für alles! Wir haben dadurch einige Kunden verloren – unsere (ehemaligen) Ansprechpartner sind jetzt höchst unzufrieden, können aber wenig ausrichten.

Sehr bezeichnend aber ironisch: Es gibt einen Vorstand (eines SEHR großen Unternehmens), der diese Politik im eigenen Hause rigoros durchsetzt – aber selbst dermaßen unglücklich mit der Übersetzung eines wichtigen Berichts war, dass wir anschließend den Auftrag unter Umgehung der eigenen Richtlinie doch bekommen haben. Something not quite right there?
The death and demise of language departments

Es gibt immer weniger firmeninterne Sprachendienste – und die Überlebenden funktionieren oft wie große Übersetzungsbüros. Sie sind „profit center“ und nicht „language center“. Das ist schlecht für die Qualität – und für den Nachwuchs, denn damit ist eine wichtige Quelle des Knowhow-Transfers versiegt.


Mensch oder Maschine?

Trotz allem Fortschritt bei machine translation: Solange noch Satz für Satz übersetzt wird, werden die Ergebnisse nie besonders natürlich sein – und auf keinen Fall werbewirksam. Allerdings übersetzen auch viele human translators recht wörtlich und holprig.
Drei wichtige Aspekte des heutigen Marktes werden gar nicht angesprochen:

Erstens: Was ist, wenn der Ausgangstext gar nicht besonders gut oder verständlich ist? Da versagt eine Software komplett. Und die Ausgangstexte sind sehr oft mangelhaft.

Zweitens: Immer mehr Kunden schreiben selbst Englisch – und wollen es „lektoriert“ haben. Und warum tun sie das? Unter anderem, weil sie mit den Standardübersetzungen nicht glücklich sind! Allerdings: Solche Texte zu überarbeiten ist grausam und erfordert noch mehr Wissen und Erfahrung als Übersetzen. Dieses Thema werde ich bei Gelegenheit umfassender durchleuten (denn es ist ein „Megatrend“).

Drittens: Es gibt immer weniger Briten und Amerikaner (von den anderen Kolonien weiß ich zu wenig), die Deutsch studieren. Und leider beherrschen viele Uniabsolventen die Sprache nicht wirklich.

Es gibt daher nicht genug Native Speaker auf dem Markt. Immer mehr Übersetzungen werden also von Nicht-Natives, Nicht-Sprachlern oder Maschinen erstellt. Und trotzdem (gerade deshalb?) gibt es Dumping-Preise – auch für kompetente Muttersprachler. 

Specialisation is the way to go

Mr Green hat Recht, wenn er meint: Spezialisierung bzw. Nischen sind die Antwort. Aber bis ein Anfänger eine Nische besetzen und bedienen kann, ist es oft ein langer und immer steinigerer Weg. 

Wir haben uns auf „Werbung/Marketing-Unterlagen/extrem Anspruchsvolles“ fokussiert (inklusive Werbetexte und Claim-Entwicklung) – aber bis ein Sprachler frisch von der Uni das entsprechend breite „skill-set“ wirklich erlernt hat, vergehen locker zwei bis drei Jahre – und sie wandern dann in andere Metiers ab (oder werden von Branchenfremden abgeworben). 

Daher: Wir können uns über einen Mangel an Arbeit nicht beklagen – aber über einen Mangel an entsprechenden Arbeitern (und Nachwuchs).

I got very lucky

Rückblickend hatte ich persönlich sehr viel Glück – vor allem das richtige Timing. Ich genoss ein tolles Studium (thank you Ealing College, danke Humboldt-Uni) – ohne Studiengebühren und Schulden.

Ich durfte als Angestellter bei zwei sehr unterschiedlichen Firmen (relativ gut bezahlt) viel Erfahrung sammeln. Und ich konnte als Selbstständiger mein Wissen und Geschäft in Etappen ausbauen.

Ich glaube, das wäre heute unmöglich.

Hits, Verweildauer, beliebteste Beiträge

Hits, Verweildauer, beliebteste Beiträge

Diesen Blog habe ich 2008 ins Leben gerufen – und seitdem aus verschiedenen Gründen nur sporadisch gepflegt. Das Interesse war deutlich größer, als ich je für möglich gehalten hätte.

Half a million hits!

Insgesamt habe ich nun über 500.000 Hits erhalten. Die allermeisten Besucher schauen sich nur einen Beitrag an und sind schnell wieder weg. Aber etwa jeder 20. nistet sich richtig lange ein und stöbert in etwa 20, 50 oder gar mehr als 100 Posts. Ein Fan aus Berlin verbrachte 2012 wohl eine ganze Nachtschicht (über fünf Stunden) damit.






Manche Besucher bleiben erheblich länger als andere…(Links: Posts, Rechts: Verweildauer)


Top five posts

Ironischerweise ist die absolute Nr. 1 ein Post, der mit Sprache nur am Rande was zu tun hat: „Der Unterschied zwischen England und Großbritannien“. Die absoluten Spitzenwerte sind vor allem während internationaler Fussballspiele zu verzeichnen (teilweise über 300 Besucher gleichzeitig).



Am 11. Juni haben sowohl England als auch Wales Fussball gespielt. Das merkt man.


Danach kommt “Der Weg ist das Ziel” (was ich unbedingt auf Deutsch verfassen sollte) und dann (wieso eigentlich?) „Prokurist auf Englisch“. Auch sehr beliebt sind meine verschiedenen Ausführungen zum Dauerbrenner „Impressum“.




The all-time top five

Aus welchen Ländern kommen die Besucher?

Das hat sich im Laufe der Zeit verändert. Insgesamt liegt Deutschland klar vorn – aber in letzter Zeit verschiebt sich das immer mehr in Richtung USA. Die Zahlen für Großbritannien gehen stark nach unten. Überraschend viele Besucher kommen aber aus ganz anderen Ländern – Frankreich, Russland und sogar Japan sind alle erstaunlich gut verteten. 


Deutschland, Deutschland über alles – bei „the all-time figures“
Im letzten Monat (und überhaupt in letzter Zeit) kämpfen sich die USA nach vorn – und UK ist fast verschwunden




Auch interessant: Die meisten Besucher kommen unter der Woche vorbei – besonders viele Montags. Am Wochenende spielt das Wetter eine große Rolle. Wenn die Sonne scheint, zieht mein Blog vielleicht nur 10 bis 20 Neugierige an.

Wieso keine Werbung?


Es hat alles als Ventil angefangen – und ist es auch geblieben. Das ist mit ein Grund, weshalb ich keine Werbung schalte. Ein weiterer: Es rechnet sich einfach nicht. Ich hätte in den neun Jahren laut meinen Recherchen mit etwas Glück vielleicht 1.000 Euro verdient. Ja, das ist auch nicht zu verschmähen. Aber auch nicht richtig prickelnd, wenn man dafür im Gegenzug sein Publikum nervt.

Aber aus dem Ventil ist durchaus ein treibender Motor des Geschäfts geworden. Wir haben dadurch mindestens vier sehr angenehme und qualitätsbewusste Großkunden gewonnen. Damit hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gerechnet.

Und mein persönlicher Favorit? Das hier:

Was will uns der Autor damit sagen?

Die meisten Marketing-Profis achten bei Anzeigen in der eigenen Sprache höchst penibel auf klare Kommunikation, schöne Formulierung und grammatikalische Richtigkeit. Und das ist gut so. Denn alles andere ist imageschädigend. 

Wenn es um die Übersetzung in eine Fremdsprache geht, gilt aber manchmal (nicht immer) die Parole: Schnell, günstig und möglichst nah an der Struktur und Wortwahl des Originals. Und das ist schlecht so.
Ich habe schon erlebt, dass eine englischsprachige Anzeige (bei der die Schaltung locker 5 Mille gekostet hat) dem Kunden keine 50 EUR wert war („dann machen wir es eben intern“). 50 EUR? Das ist nicht mal eine Tankfüllung bzw. ein ordentlicher Einkauf beim Discounter. 

Das Ergebnis ist dann ungefähr so wie das hier (erschien bei The Independent heute vormittag):






Nein, ich weiß auch nicht, was der Autor damit sagen wollte. 

Love is what?

Heute ein Beitrag von Diana Mangold:

Welcher Firma könnte der URL www.loveiseasy.de gehören? Viellecht einem Rotlicht-Etablissement? Einer Kontaktbörse für Menschen, die einen Partner nur fürs Wochenende suchen?  

Leider nicht. Es gehört der Firma Niessing, Deutschlands führendem Hersteller von Eheringen.

Wie viele von Ihnen bereits aus meiner Email-Signatur wissen, habe ich im Oktober 2012 geheiratet. Beim Ringekauf habe ich von der sehr stylishen Dame im sehr stylischem Juweliergeschäft einen sehr stylischen Katalog von Niessing in die Hand gedrückt bekommen. Sehr schön und glossy, auf schwerem Papier und mit sehr aufwändig inszinierten Fotos. Kurz gesagt: Bestimmt sehr teuer produziert.

Aber dann kam die Überraschung: Der obige URL auf der Rückseite. Und gleich war meine (sehr positive) „first impression“ pfutsch.

Es gibt viele feststehende Floskeln, die dem „love is“-Muster folgen. Love is pure, love is patient, love is kind, und es gibt sogar ein comic strip namens Love Is… (kennt ihr schon, es kommt immer etwas wie „sharing the last piece of chocolate“, begleitet von einer niedlichen Illustration). Aber „easy“? Wenn man an „easy“ in Kombination mit „love“ sieht, denkt man gleich an eine „schnelle Nummer“. Oder ähnliches. Nicht an den Mann, mit dem frau unbedingt Ehrringe tauschen möchte.

Aber was ist mit diesem neuen Ohrwurm „Our love is easy“? Na ja. Wenn man den Rest des Liedes hört (oder hören muss), kommt: „It’s a simple thing, we don’t need a ring. Our love is easy.“ Also man könnte behaupten, Melody ist eher mäßig an Niessings Produkten interessiert.

Übrigens: Nivea hat vor Kürzem meine Lieblingsspülung, Straight & Easy, in Straight & Gloss umgetauft. For good reason. Die zweite Variante mag grammatikalisch etwas seltsam sein (warum nicht Straight & Glossy?) aber wir Muttersprachler haben keinen Grund mehr zum Kichern.