FALSE FRIENDS, GOOD AND BAD TRANSLATION

Martin, you have (critical) mail!

11.01.2011 | 4 Kommentare

Ich habe folgende interessante Email erhalten.

Hallo Mr. Crellin,

ich schätze Ihre Seiten sehr, habe schon viel daraus gelernt und bewundere Ihre perfekte Zweisprachigkeit.

http://falsefriends-mcsquared.blogspot.com/2010_09_01_archive.html jedoch hat mich leider nicht so sehr überzeugt.

Ich habe ca. eine Sekunde auf das Plakat geschaut, und mir war klar, was gemeint ist:

Es liegt an dir, …
(… den inneren Schweinehund zu überwinden und – s. Bild – Schweiß für deine Fitness zu vergießen. Wir helfen dir dabei, indem wir dich …) bis Jahresende kostenlos trainieren (lassen).

Da hat niemand „Es geht aufs Haus“ im Leo nachgeschaut. Sondern jemand hat „Es liegt an dir“ nicht im LEO nachgeschaut.

Unten in Ihrem Beitrag schreiben Sie selbst „Alle drei vernahmen die Aussage: Es liegt an dir.“
Warum also sollte die Botschaft bei den Germans nicht angekommen sein?

Ich sehe zwei Deutungsmöglichkeiten für Ihre Polemik (wertneutral):

1. Sie haben das Plakat ebenfalls richtig verstanden, mögen aber kein Denglisch.

Meine Meinung:
Ihre Kritik an Denglisch-Übersetzungen für Native Speakers ist ja völlig berechtigt.
Aber Denglisch ist eben kein Englisch und kann demzufolge auch kein falsches Englisch sein.
Denglisch mag englische Wurzeln haben oder auch nur englisch aussehen (Pseudo-Anglizismen); solange es von Deutschen für Deutsche gemacht und von Deutschen verstanden wird, ist das m.E. in Ordnung.

Mit einer vorsätzlichen (?, s.u.) Fehlinterpretation und Bemerkungen wie „fitness studio (was natürlich auf Englisch nicht so heißt)“ (googeln Sie mal: „fitness studio“ site:uk) würden Sie sich m.E. dem Niveau von Sprachnörglern wie VDS und Co. annähern, und das wollen Sie hoffentlich nicht wirklich?

2. Sie haben tatsächlich „Es geht auf deine Rechnung“ o.ä. verstanden.

Mir ist schon häufiger aufgefallen, dass Briten und Amerikaner anscheinend derart in Idioms denken / sprechen, dass ihnen die Bedeutung der einzelnen Wörter / die wörtliche Bedeutung der Phrase gar nicht mehr bewusst ist.

Ich kenne Amerikaner, die public viewing tatsächlich ausschließlich als ‚öffentliche Aufbahrung‘ interpretieren.

Manchmal ist es m.E. gar nicht schlecht, ‚von außerhalb‘ auf eine Sprache zu blicken.
Wenn ein Deutscher ‚Äpfel mit Birnen vergleicht‘, denkt er kaum an einen tatsächlich möglichen Vergleich der beiden Obstsorten.

Ein Ausländer, der die Redewendung nicht kennt, sieht das ganz anders.

Wie sehen Sie das? Ich bin gespannt auf Ihre Meinung!

Mit freundlichen Grüßen
Michael Allers
www.denglisch4ever.de

P.S.: Ich mag grundsätzlich keine Fitness-Studios.

Dear Mr Allers,

I understand where you are coming from, but I do not want to go there. Und ich hatte schon einen Post zu genau diesem Thema zwischen den Feiertagen geschrieben, nur noch nicht veröffentlicht.

Also: It is on you habe ich nicht absichtlich falsch verstanden. Auch meine Native-Speaker-Kollegen hier im Büro haben den Spruch wie ich interpretiert. Denn wir denken zuerst auf Englisch. Aus diesem einfachen muttersprachlichen Grund haben wir sofort die eigentliche englische Bedeutung herausgelesen (und daher habe ich falsch auf „Leo/Es geht aufs Haus“ getippt). Die eigentliche Bedeutung ist nicht „es liegt an dir“ – das wäre „now it’s up to you / now it’s down to you“.

Apples and pears
Wenn Sie den Satz mit der Redewendung „Äpfel mit Birnen vergleichen“ vergleichen, dann vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. If you see what I mean.

Die eigentliche Bedeutung ist nicht irgendwo versteckt. Da es um kostenloses Training geht, ist meine erste Wahrnehmung auch gar nicht mal so abwegig. Und genau dort liegt the dog buried: Es ist keine klare Botschaft.

Für Deutsche nicht (machen wir eine Umfrage – es wären sicherlich einige dabei, die zumindest nicht sicher wären). Für Native Speaker erst recht nicht. Und das finde ich einfach, sorry, Kacke. Das ist Möchte-Gern-Cool sein.

VDS, nein danke
Nein, ich möchte nicht VDS-mäßig (auch wenn nicht alles von denen falsch ist) lehrerhaft, beamtenmäßig und spießbürgerlich alles ablehnen, was nicht in irgendwelchen verstaubten Grammatikbüchern oder Wörterbüchern steht.

Ich habe nichts gegen Erneuerung und Veränderung. Aber Sprache soll KLAR kommunizieren. Unklare Kommunikation kann nervig, kostpielig oder gar tödlich sein. Sprache sollte auch elegant und geschmeidig daher kommen. Das tut Denglisch (oft) nicht.

Pigs in tone zones
Zum Wort „Fitness Studio“: Klar kann man das Wort auch in England finden – als Eigenname. Aber tone zone wollen Sie zum Beispiel nicht nehmen, oder? Ist auch sehr beliebt. Wenn man Ihren PS mit „I don’t like fitness studios“ übersetzt, ist das schlicht und ergreifend falsch. Das sagt kein pig in England. Hässlich ist es auch noch. Es wird von einem Engländer/Ami entweder gar nicht oder nur mit Mühe verstanden.

Minority report
Sagen Sie ruhig „Fitness Studio“ auf Deutsch. Aber behaupten Sie bitte nicht, dass wäre natürliches, akzeptables Englisch. Selbst wenn es von einer (kleinen) Minderheit so benutzt wird – wenn Sie 10 solche extremen Minderheitslösungen in einen Text einbauen, haben Sie am Ende alle Leser verwirrt und ein gräßliches Endprodukt noch dazu.

Apropos Minderheitslösung: Manche Native Speaker sagen tatsächlich: It’s on you to get down to the gym. Aber sie sind eine absolute Minderheit. Ohne Zusatz (to get down to the gym) funktionierts sowieso nicht. Unklar bleibts auch mit Zusatz.

Kiwis
Ihr Einwand erinnert mich an einen Kumpel von mir, der nach Neuseeland ausgewandert ist. Er hat ständig „the“ falsch ausgesprochen, obwohl er diesen Laut mit entsprechender Mühe richtig treffen konnte. Er war einfach bequem. Er hat behauptet: Das versteht man auch so. Das war für mich als Native Speaker tierisch anstrengend, dem zuzuhören. Und teilweise habe ich ihn doch nicht verstanden.

In praise of Denglisch???
Aber schauen wir an, was ich an Denglisch durchaus in Ordnung finde:

1. Gewisse englische Wörter kommunizieren was Neues, was es im Deutschen nicht gibt, und schwer mit germanischen Silben einzufangen ist (Web 2.0, cool)

2. Manche englischen Wörter haben sich im Deutschen schon längst etabliert, und erweitern den Sprachschatz um eine Nuance – obwohl sie im Englischen eine etwas andere Bedeutung haben (z.B. Power). Das gibt es auch in anderen Sprachen (z.B. Angst auf Englisch, Halstuch auf Russisch). Aber ich möchte auf diese Unterschiede hinweisen – da es sonst sehr oft zu einer Fehlkommunikation/Fehlübersetzung kommt. Aber deren Verwendung im Deutschen will ich nicht VDS-mäßig ausmerzen.

3. Ich finde es durchaus OK, bekannte englische Wörter als Synonyme oder „Würze“ einzusetzen (Besprechung ist völlig brauchbar, aber Meeting mal zur Abwechslung auch). Ich verwende diese englischen Alternativen ja selbst – siehe oben.

4. Beabsichtigte Sprachspielereien mit Englisch und Deutsch können witzig sein (aber schnell verblassen – English for run-aways lässt grüßen).

Ich kann schon Ihre kleine Rebellion gegen VDS nachvollziehen, und Ihre Website finde ich echt unterhaltsam. Aber bedenken Sie bitte auch folgendes:

Denglisch im Sinne von „It’s on you“ – was bringt das? Es ist selbst für Deutsche zumindest missverständlich. Es ist Anti-Bildung – denn viele Deutsche werden glauben, damit was Englisches gelernt zu haben. Denglisch ist „cooler“ als Deutsch? Dann wenigstens richtiges Englisch BITTE. Sonst überwiegen klar die Nachteile. Auch Sarah Connor gibt manchmal Dinge von sich, die weder ein Engländer noch ein Deutscher versteht – aber keiner traut sich, nachzufragen. Des Kaisers neue Kleider, sage ich nur.

Leave my language alone!!!
Die Verwendung von falschem Englisch, nur um cool zu sein, finde ich absolut daneben. Es ist oberflächlich. Und es verschandelt meine Muttersprache (ohne witzig zu sein). Das tut mir in der Seele weh.

Wenn das Ihnen egal ist, dann ist das aus meiner Sicht überheblich – uns Muttersprachlern gegenüber und auch der Zielgruppe gegenüber. Es ist auch unehrlich. It is bad English masquerading as good English. Die Verwendung von richtigem Englisch, nur um cool zu sein, finde ich nicht viel besser. Es ist teilweise elitär oder ausgrenzend. Wollen Sie das wirklich?

Jil Sander
Sehen Sie mal dieses berühmt-berüchtigte Beispiel von Jil Sander (und vom VDS angeprangert) an – finden Sie das gut?

Ich habe vielleicht etwas Weltverbesserndes. Mein Leben ist eine giving-story.
Ich habe verstanden, daß man contemporary sein muß, das future-Denken haben muß.
Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden.
Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander. Man muß Sinn haben für das effortless, das magic meines Stils
.

Es ist zwar komisch, aber unfreiwillig.

An artificial language, anyone?
Und Sie erklären Denglisch zur Kunstsprache (nur für Germans), damit alles erlaubt ist? Wissen das die Germans, die „It’s on you“ lesen? Woran sollen sie den Unterschied erkennen? „It’s on you“ war (wohl) nicht absichtlich falsch. Nur falsch. Wozu ist diese Kunstsprache eigentlich gut? Nicht viel. Und wer entscheidet, was richtiges oder falsches, gutes oder schlechtes Denglisch ist? Sie? Am Ende weiß dann keiner, ob mit comfortable das Deutsche „komfortabel“ oder das Englische comfortable gemeint ist.

Und nein, das ist nicht egal. Das ist für mich wie Video-Kunst oder Graffiti. Es gibt tasächlich wirklich tolle Bespiele – aber viele Künstler können nichts, und verstecken ihr fehlendes Können hinter Sprüchen und Haltungen wie „Das könnt ihr nicht verstehen“, oder „Das ist so gewollt.“

Treading a fine line between pedantry and passion
Ich möchte kein Sprachfetischist oder -faschist sein. Aber ich liebe Sprache, besonders Sprachwitz. Ich liebe meine Muttersprache (und auch Ihre). Ich liebe klare, elegante aber auch frische, innovative Kommunikation. Denglisch kann eine Bereicherung sein. Aber oft ist es eine Verschandelung, eine Verstümmelung, eine Zeitverschwendung. Für mich geht es darum, den Unterschied zu erkennen.

Ihre Einwände finde ich interessant, aber falsch. Aber auch nicht schlimm. Schlimm sind die Leute, die so tun, als wäre ihre Werbung richtiges, authentisches Englisch – obwohl sie es selbst dilettantisch zusammengebastelt haben. Das ist Etikettenschwindel. Und auch keine eigenständige Kunstsprache.

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4 Kommentare

  1. LK

    clap clap clap clap clap

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  2. Victor Dewsbery

    Spannend und bezeichnend finde ich diesen Satz von Herrn Allers:
    "Denglisch ist eben kein Englisch und kann demzufolge auch kein falsches Englisch sein."

    Das heißt, im Kern entsteht hier eine neue Sprache. "Denglisch" hat noch Berührungspunkte mit echtem Englisch und einsprachigem Deutsch, aber es gibt jetzt schon Sprachverwirrung und Missverständnisse. Der Werbespruch "It's on you" ist so ein Beispiel: deutsche Muttersprachler mit guten Englischkenntnissen sehen den Satz zwar nicht als richtiges Englisch, verstehen ihn aber dennoch im Sinne des werbenden Unternehmens. Ich jedoch, als englischer Muttersprachler mit guten Deutschkenntnissen, verstehe ihn auch nach eingehender Betrachtung immer noch so wie Martin (if it's on me, what am I paying for?)
    "Handy" ist ein weiteres Beispiel.

    Meine Theorie ist, dass wir immer noch an der urzeitlichen Stadt Babel (mit Turm) weiterbauen. Obwohl Minderheitensprachen in vielen Teilen der Welt verschwinden, entstehen gleichzeitig neue Sprachen, Dialekte, pidgin- und creole-Sprachen. Und Denglisch könnte tatsächlich eine davon werden – die Samen dazu sind schon gesät. Wie Herr Aller sagt: Denglisch ist kein Englisch. Gleichzeitig ist Denglisch in weiten Teilen kein klassisches Deutsch, weil nicht alle Deutsche diese Neusprech-Variante verstehen. Fazit: es entsteht eine neue Sprache. Demnach auch mögliche neue Arbeitsaufgaben (Wer hat Lust auf 30 Seiten von Denglisch in Franglais?)
    Victor Dewsbery

    Antworten
  3. octopus

    Ich sehe das immer noch anders. Hier entsteht keine neue Sprache, sondern eine Weiterentwicklung des Deutschen. Ja, Denglisch hat auf Wortebene viele Berührungspunkte mit echtem Englisch. Aber es hat keine "Berührungspunkte" mit einsprachigem Deutsch. Denn einsprachiges Deutsch gab es nie. Denglisch ist Deutsch, genauso wie 'Danzösisch' und 'Ditalienisch', von Deutsch lateinischer Herkunft ganz zu schweigen. Auch "klassisches Deutsch" ist eine Fiktion, denn Sprache entwickelt sich permanent weiter. In 50 Jahren würden Sie wahrscheinlich das heutige Denglisch als klassisches Deutsch bezeichnen.

    Verständlichkeit:

    Ihr und Hr. Crellin's Denkfehler liegt m.E. darin, dass Sie sich als Zielgruppe der JonnyM-Werbung betrachten. Aber das sind Sie nicht, genausowenig wie 90-Jährige die Zielgruppe von Klingelton-Werbung sind – und sie deshalb auch nicht verstehen müssen. Zielgruppe sind durchschnittliche Deutsche jüngeren bis mittleren Alters; ich schätze mal, mindestens 80% davon verstehen die Aussage.

    Denglisch grundsätzlich:

    Auch das sehen Sie m.E. zu sehr aus der Sicht einer elitären (positiv gemeint!) Minderheit. Versetzen Sie sich mal in die Rolle ihrer Landsleute, die kein Deutsch können. Ein Brite in einem deutschen Bahnhof sieht den Service Point. Auch wenn der Ausdruck im Englischen ungebräuchlich / falsch ist, müsste er doch allemal hilfreicher sein als 'Auskunft', oder? Auch wenn Deutsche oft keine perfekten (d)englischen Lösungen finden, bemühen sie sich immerhin, Ausländern weiterzuhelfen. Aber anstatt den guten Willen anzuerkennen, wird von native speakers, die es halt besser können, Denglish-Bashing betrieben. Sorry, das finde ich nicht nett!

    Natürlich wird durch Denglisch, Franglais usw. weder kurz- noch mittelfristig eine einheitliche Weltsprache entstehen. Aber jedes einzelne Wort, das sprachübergreifend verstanden wird, ist doch ein Schritt in die richtige Richtung! Denken sie an Internationalismen wie eben Service, Information, Telefon. Sollte man die durch sprachliche Insellösungen ersetzen, weil Information (mit t) "falsches Spanisch / Italienisch" oder Telefon (mit f) "falsches Englisch" ist?

    – Michael Allers
    http://www.denglisch4ever.de/crellin.html

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