FALSE FRIENDS, GOOD AND BAD TRANSLATION
Wir sind die ewigen Neinsager
Es ist nicht mal 12 Uhr, und schon haben wir zwei denglische Claims und eine denglische Headline ablehnen müssen.
Wir haben aggressive expansion strategy geschrieben. Der Kunde findet aggressive natürlich viel zu aggressiv. Dabei ist aggressive in diesem Kontext durchaus üblich. Der Kunde hätte lieber offensive. Aber offensive wird leicht als beleidigend missverstanden, zum Beispiel:
„That’s very offensive“ heisst „Das ist extrem beleidigend“
Dann wollte eine Agentur von pure design reden. Aber pure ist nicht pur sondern rein. Und pure design ist erst recht nicht design pur.
Aber der Australier im Hause hat es akzeptiert!!!!????
Ja, klar – weil er nicht verstanden hat, was man eigentlich sagen wollte. pure design ist auch nicht grammatikalisch falsch. Es ist bloss bedeutungslos, kraftlos, Denglisch halt.
Und dann hatten wir einen Claim mit dem Wort noble. Nein, das ist nicht nobel im Sinne von edel, fein. noble bedeutet erhaben, adlig. Ein nobles Restaurant ist kein noble restaurant sondern eher (je nach Tonalität) posh, swanky, upmarket oder exclusive. Umgekehrt wirds vielleicht deutlicher: ein noble aim ist ein hehres Ziel.
Leider werden täglich solche Claims (die bei uns eher Slogans oder Taglines heißen) von deutschen Textern erfunden und von teutonischen Kunden abgesegnet – alles aus einem germanischen Sprachgefühl heraus.
Ein zufällig frei herumlaufender native speaker ist auch keine Instanz – der weiß meist nicht, worum es sprachlich und werbemäßig geht. Er kann nicht wissen, was design pur oder nobel auf Deutsch ausdrückt. Er ist in aller Wahrscheinlichkeit kein Sprachmensch (von meinem Bruder, der ein ausgewiesener IT-Profi ist, lass ich Programme schreiben, aber keine Claims). Und er weiß wahrscheinlich gar nicht, dass es hier um einen wichtigen Claim für ein wichtiges DAX-Unternehmen geht.
Kein deutscher Werbefuzzi würde auf die Königstraße in Stuttgart laufen und den nächstbesten (schwäbischen?) Muttersprachler fragen: kann ich das sagen? Und die Antwort als grünes Licht für eine groß angelegte Werbekampagne auslegen. Aber auf Englisch schon.
Darum werden wir immer wieder in eine sehr unangenehme Rolle gedrängt – die des ewigen Neinsagers. Manchmal mehrmals täglich.
Aber ihr sagt doch nicht nur „nein“, ihr bietet doch auch Alternativen. Was wäre denn „Design pur“ in der idiomatischen englischen Fassung?
Ich finde es ja auch ärgerlich, wenn von mir ersonnene Wortspiele/puns nicht funktionieren, ganz gleich in welcher Sprache … aber ich bin als Kunde auch sehr dankbar, mich so nicht mit denglischem Kram zu blamieren.
Genau diese Frage stellte mir heute abend meine Freundin, als ich mein Lied klagte…
Die Anwort ist leider für alle unbefriedigend: Es gibt nichts, was wirklich so schön griffig ist. Ich kann natürlich ein paar Dinge vorschlagen, die ungefähr die Aussage rüberbringen, aber nicht so kurz und knackig. „XYZ pur“ ist halt eine sehr prägnante aber urdeutsche Konstruktion. I will continue to say it until I am blue in the face: Wenn es um Claims geht, muss man von Null anfangen – nicht übersetzen. Übersetzen ist in 99,9% der Fälle zum Scheitern, oder besser gesagt, zum Knappdanebenistauchvorbeisein verdammt. Aber das ist für eine Werbeagentur sehr schwer zu akzeptieren – sie wollen die Hoheit über die Kreativität nicht hergeben…
Solche Fälle zeigen, dass es nicht einfach ist, eine Fremdsprache gut zu sprechen. Um Englisch gut genug zu sprechen muss man sich viel Mühe geben. Noch dazu glaube ich, dass man auch sprachbegabt sein muss, um Feinheiten zu erkennen und beherrschen. Das wissen viele Leute leider nicht, besonders diejenigen, die glauben, eine Fremdsprache sehr gut zu sprechen.
Das ist überraschend, was wirklich Prägnantes kann eigentlich doch nicht urdeutsch sein?! 😉
Ich wäre ja lieber native speaker als Muttersprachlerin – aber in diesem Fall hab ich wohl Glück. Ich sollte das auskosten und viel mehr Headlines schreiben mit „pur“ drin. Wobei … Ganz ehrlich, wenn es nicht gerade ein Wahnsinnswortspiel ist, weil es um einen Beitrag zu Purismus ist oder so, dann ist eine Überschrift à la „Sowieso pur“ eigentlich doch eher eine Notlösung.
Undiluted design find ich ja schwer schick. 😉
Es gibt vieles, was man auf deutsch schön knapp und knackig sagen kann. Und bitte glaubt mir: es nicht alles kürzer auf Englisch. Manches ja, aber nicht alles. Denkt nur an die ganzen compound nouns, die man auf Deutsch bilden kann.