FALSE FRIENDS, GOOD AND BAD TRANSLATION

Offshore, nearshore und andere Trauungen

15.11.2008 | 4 Kommentare

Olli fragt mich – was ist richtig:
off shore, off-shore oder offshore?
on site, on-site oder onsite?

Da muss ich wieder mal etwas ausholen.

Die Entdeckung der Langsamkeit
Teutonen setzen Wörter gern zusammen, vor allem Substantive (compound nouns heißen die Dinge). Wir viel weniger. ABER: wenn zwei Wörter zueinander gefunden haben, eine Weile harmonisch zusammengelebt haben und sich nicht allzu oft verkracht haben – dann heiraten sie eben. Nur: die Trauung ist selten offiziell. Oft schleichend. Und die Verwandten streiten sich lange, ob sie überhaupt stattgefunden hat. Man kann wie bei einem Scrabble-Streit in einem dictionary nachschlagen – aber die Verlage sind sich auch nicht immer einig.

Shakespeare und Obama
Ja, was denn? Es gibt meist keine festen Regeln sondern nur Tendenzen und kulturspezifischen, firmenspezifischen Konventionen. Die Obamas heiraten etwas schneller als die Browns. Und oft ist es einfach eine Frage der Zeit. Shakespeare schrieb immer to-day. Today machen wir das nicht mehr.

Germany’s next topmodel (aaaaaaaaah)
Auf jeden Fall verteilen die Deutschen im vermeintlichen Englishen viel zu viele Bindestriche und Heiratsurkunden. Germany’s next topmodel ist zum Beispiel für alle Angelsachsen ein Graus. Top und Model leben getrennt (sorry, die paar Google-Ausnahmeerscheinungen lass ich nicht gelten). Super und star jedoch cohabit most of the time. Confused? Kein Wunder.

Zurück zu offshore
Irgendwann mal waren off und shore ganz klar Wörter ohne Klebebindung. Sie sind nun zusammengeschweißt. Sowohl Merriam-Webster’s (USA) als auch Collins (GB) sind sich einig: offshore. Auch die Google-Ergebnisse sind da ziemlich eindeutig (allerdings ist die Recherche erschwert – Google scheint nicht zwischen „off shore“ und „off-shore“ zu unterscheiden).

Jetzt on-site
Hier wird’s knifflig. Ja, die waren auch mal Single. Aber jetzt nicht mehr. Merriam-Webster’s sagt die Beziehung ist noch relativ locker: on-site. Collins und Oxford (meine Ausgaben) schweigen zum Thema. Es gibt zwar viele Fälle von onsite, aber das Internet scheint relativ klar für den Bindestrich zu sprechen.

The answer for Olli
Also Olli: offshore ist ziemlich eindeutig. On-site ist der klare Gewinner, aber onsite hat auch viele seriöse Anhänger. Zu nearshore sagt Collins nix, Merriam sagt zusammen, ich sage auch: nearshore.

Und Website? Und Email?
Ähnlich sieht’s mit Web site, Web-site und Website aus. Die Tendez geht Richtung heiraten. Bei e-mail und email widerstrebt sich das e noch ziemlich heftig gegen die endgültige Langzeit-Commitment. Aber ich bin gespannt, wie lange es dem Druck standhält. Aber bitte nicht e-Mail mit großem M. That’s German.

Wertigkeit neu entdecken
Übrigens: es heißt offiziell high quality aber high-quality product. Warum? Weil damit klar wird, dass high und quality zusammen das dritte Wort product beschreiben.

Die Polizei muss her!
Aber Olli – du hast im Prinzip ein ganz anderes Problem entdeckt: die Uneinheitlichkeit in der Verwendung innerhalb eines Unternehmens. Im Prinzip müsste jedes Unternehmen, das sich international schimpft, eine interne „Normierungs- und Beratungsstelle“ für Englisch einrichten (oder Polizei, wenn man will). Bei BASF und Daimler zum Beispiel ist das der Fall. Eine solche Stelle – wenn sie kompetent ist – entwicklet Richtlinien und interne Wörterbücher, und kann fachmännische Antworten auf sprachliche Fragen geben.

Es ist extrem wichtig für die Qualitätskontrolle.

Bei anderen Firmen kauft jeder beim Übersetzer-Discounter ein, der ihm in den Gelben Seiten entgegenspringt. Solche Büros halten es meist nicht besonders genau mit der Einheitlichkeit.

Echte Best Practice
Wir haben übrigens gerade den Auftrag für die Zeitschift Best Practice von T-Systems erhalten. Und was haben wir als erstes getan? Ja, Konventionen definiert. Das ist Best Practice.

Free English lessons:
Cohabit – Beamtenenglisch für zusammenleben

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4 Kommentare

  1. Judy and Dagmar Jenner

    Sehr schoene Zusammenfassung! Alles gar nicht so leicht… ich habe auch viele Jahre bei einer web site gearbeitet, und die wollten immer internet und web site verwenden (die hatten ihr „eigenes“ style guide). Wird natuerlich schwierig, wenn sich einige Firmen nicht an AP style oder an das Chicago Manual of Style halten wollen. Andereseits ist es ja auch wieder faszinierend wie die Sprache sich veraendert (it’s a living being, sort of; for better or for worse).

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  2. MCSquared

    Yup – Website seems to be firmly wedded now, Internet sometimes with a capital I, sometimes not.

    We use Chicago a lot too, but rules sometimes very complex, and the book is not always very user-friendly.

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  3. Laura

    Sorry, but isn’t that „cohabitate“? Or is this the Great Divide at work?

    Your blog is outstanding, by the way.

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